Lungenkrebsrisiko durch Radonexpositionen in Wohnungen

Stellungnahme der Strahlenschutzkommission

Verabschiedet in der 199. Sitzung der SSK am 21./22. April 2005

Abstract

Die Strahlenschutzkommission hatte zuletzt im Jahr 2004 zu den bis dahin veröffentlichten epidemiologischen Studien zum Lungenkrebsrisiko durch Radon und seine Zerfallsprodukte in Innenräumen Stellung genommen.

Inzwischen wurden die Ergebnisse der europäischen Radonstudie veröffentlicht. Es handelt sich um eine Pooling-Studie. Sie umfasst 13 Einzelstudien aus 9 Ländern mit insgesamt 7 148 Lungenkrebspatienten und 14 208 Kontrollpersonen ohne diese Erkrankung. Bei den Studienteilnehmern wurde in den jetzigen und früheren Wohnungen die Radonkonzentration über mindestens ein halbes Jahr gemessen. Ferner wurden alle Studienteilnehmer detailliert nach ihrem lebenslangen Rauchverhalten und anderen Risikofaktoren für Lungenkrebs befragt. Für jeden Studienteilnehmer wurde der zeitgewichtete Mittelwert der Radonkonzentrationen für die in den letzten 5 bis 34 Jahren bewohnten Wohnungen berechnet. In allen Risikoanalysen wurde das Rauchen als wichtigste Störgröße berücksichtigt.

Die Strahlenschutzkommission hat folgende zusammenfassende Risikobewertung vorgenommen:

Die europäische Pooling-Studie zeigt einen klaren Anstieg des Lungenkrebsrisikos mit steigender Radonkonzentration in Wohnungen. Besonders wichtig ist, dass diese Erhöhung nicht nur in der Gruppe aller Studienteilnehmer nachgewiesen wurde, sondern auch für die Untergruppe der lebenslangen Nichtraucher. Aufgrund der deutschen Radonstudie war die SSK in ihrer letzten Stellungnahme von einer linearen Expositions-Wirkungs-Beziehung ohne Schwellenwert von etwa 10% pro 100 Bq/m³ Radonkonzentration ausgegangen. Dieser Zusammenhang bestätigt sich in der europäischen und auch in der nordamerikanischen Studie.

In der europäischen Studie wurde für Unsicherheiten in der Expositionsabschätzung korrigiert, wodurch sich der Schätzwert für das Radonrisiko deutlich erhöhte. Da die Datengrundlage für das Korrekturverfahren begrenzt ist und mehrere Annahmen beispielsweise über die Fehlerstruktur und über die Verteilung der wahren Radonkonzentrationen gemacht werden, ist das Ergebnis des Korrekturverfahrens selbst mit einer größeren Unsicherheit behaftet. Unabhängig davon ist davon auszugehen, dass eine Korrektur für Unsicherheiten der Expositionsabschätzungen zu einer Erhöhung des Schätzwertes für das Risiko führt.

Die europäische Pooling-Studie hat den Nachweis einer Erhöhung des Lungenkrebsrisikos bei längerem Aufenthalt (30 Jahre) in Wohnungen bei Radonkonzentrationen erbracht, die niedriger sind als der in früheren Empfehlungen der SSK erwähnte Wert von 250 Bq/m³. Angesichts der statistisch gut abgesicherten Ergebnisse der europäischen Studie ist bei Entscheidungen über konkrete Maßnahmen zur Reduzierung von Radonkonzentrationen in Wohnungen auch der Bereich unterhalb von 250 Bq/m³ zu berücksichtigen.

Für die Gruppe der lebenslangen Nichtraucher, für welche die Ergebnisse nicht durch das Rauchen beeinflusst sein können, wurde eine signifikante Risikoerhöhung ab dem Konzentrationsintervall von 100 - 199 Bq/m³ nachgewiesen.

Es gibt kein anderes umweltrelevantes Kanzerogen, bei dem die epidemiologische Datenlage so umfassend und eindeutig ist wie beim Radon. Für zahlreiche andere Umweltkanzerogene wie Asbest oder Dioxine bestehen rechtliche Regelungen, obwohl kein direkter Nachweis der Schädlichkeit in der Umwelt vorliegt, sondern das Wissen auf tierexperimentellen Daten und Daten am Arbeitsplatz beruht. Im Sinne der zu fordernden Konsistenz von Risikoeinstufungen sind deshalb auch Regelungen zur Begrenzung von Radonexpositionen in Wohnungen zu fordern.

Diese Empfehlung ist in Band 59 der Reihe "Veröffentlichungen der Strahlenschutzkommission" enthalten.