Risikoabschätzung für Hautkrebs durch ionisierende Strahlung
Stellungnahme der Strahlenschutzkommission
Verabschiedet in der 329. Sitzung der Strahlenschutzkommission am 7./8. Dezember 2023
Information
Wie groß ist das Risiko, durch ionisierende Strahlung (nicht UV!) an Hautkrebs zu erkranken?
Warum ist das Thema wichtig?
Nichtionisierende UV-Strahlung gilt als Hauptrisikofaktor für die Entstehung von Hautkrebs. Im Strahlenschutz wird allerdings davon ausgegangen, dass auch ionisierende Strahlung Hautkrebs verursachen kann. Viele Modelle und Risikoschätzungen dazu stammen aus den 1990er Jahren oder noch davor. Neuere Studien geben Hinweise darauf, dass die derzeitige Bewertung zum Hautkrebsrisiko durch ionisierende Strahlung nicht mehr zutreffend sein könnte.
Welche Fragen werden behandelt?
- Entsprechen die bisherigen Risikoschätzungen für strahlenbedingten Hautkrebs noch dem aktuellen Wissensstand?
- Gibt es neue Erkenntnisse, die zu einer geänderten Einschätzung des Hautkrebsrisikos führen? Ist insbesondere die Annahme, dass Hautkrebs überhaupt durch ionisierende Strahlung verursacht werden kann, noch gerechtfertigt?
- Inwieweit müssen neue Erkenntnisse im Strahlenschutz Berücksichtigung finden?
Was sind die Kernaussagen der SSK zu diesem Thema?
- Die bisherige Einschätzung, dass weder das maligne Melanom noch das Plattenepithelkarzinom durch ionisierende Strahlung verursacht werden können, wird auch durch neuere Studien bestätigt. Aussagen zum strahleninduzierten Hautkrebsrisiko beziehen sich daher ausschließlich auf das Basalzellkarzinom.
- Im Gegensatz zu den bisherigen Annahmen und Modellen können sich Risikoschätzungen zum Hautkrebs, ebenso wie für die meisten anderen Krebsarten, auf neuere Auswertungen der Studien zu den japanischen Atombombenüberlebenden (LSS) stützen.
- Je nach Wahl des Anpassungsmodells (z. B. Annahme einer Schwellendosis oder Annahme einer linearen Dosis-Wirkungsbeziehung ohne Schwelle) ergeben sich für das Basalzellkarzinom deutlich unterschiedliche Risikobeiträge.
- Die Wahl und die Kombination der Modelle und Parameter zur Berechnung des im Strahlenschutz verwendeten Schadensmaßes (Detriment) haben einen gravierenden Einfluss auf die Einschätzung, ob oder in welcher Höhe Hautkrebs einen Beitrag zum Strahlenrisiko liefert.
- Es gibt Hinweise darauf, dass es im Dosisbereich unterhalb von 0,5 Gy keine Risikoerhöhung für Hautkrebs gibt. Dies würde bedeuten, dass die Haut gänzlich aus der Liste der Organe, für die Gewebe-Wichtungsfaktoren angegeben werden, entfallen könnte. Eine abschließende Bewertung zu diesem Punkt kann allerdings gegenwärtig noch nicht erfolgen.
Abstract
Es ist bekannt, dass Hautkrebs hauptsächlich auf die Exposition durch UV-Strahlung zurückzuführen ist. Man geht derzeit zusätzlich davon aus, dass Subtypen des Hautkrebses auch durch ionisierende Strahlung verursacht werden können. Allerdings stammen viele der Modelle und Risikoschätzungen für Hautkrebs durch ionisierende Strahlung aus den 1990er Jahren oder noch davor. In einem Beratungsauftrag vom Juni 2020 bittet das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz (BMUV) die Strahlenschutzkommission (SSK) darum, zu folgenden Fragen Stellung zu beziehen:
- Was ist die aktuelle wissenschaftliche Datenlage zu strahleninduziertem Hautkrebs?
- Tragen die aktuellen internationalen Empfehlungen zum Schutz vor ionisierender Strahlung dieser Datenlage angemessen Rechnung, insbesondere im Hinblick auf die Bewertung des Hautkrebsrisikos und -detriments?
- Welche Auswirkungen haben die gewonnenen Erkenntnisse ggf. auf die Gewebe-Wichtungsfaktoren der Haut und den Grenzwert für die Haut-Äquivalentdosis?
Die SSK hat die Literatur im Zeitraum von 1990 bis 2021 gesichtet. Aus 106 Publikationen wurden 28 Publikationen als relevant und ausreichend belastbar für Aussagen zu den oben gestellten Fragen eingestuft. Die bisherige Einschätzung, dass weder das Maligne Melanom noch das Plattenepithelkarzinom durch ionisierende Strahlung verursacht werden können, wird auch durch neuere Studien bestätigt. Aussagen zum strahleninduzierten Hautkrebsrisiko beziehen sich daher ausschließlich auf das Basalzellkarzinom. Im Gegensatz zu den bisherigen Annahmen und Modellen können sich Risikoschätzungen zum Hautkrebs, ebenso wie für die meisten anderen Krebsarten, auf neuere Auswertungen der Studien zu den japanischen Atombombenüberlebenden (Life Span Study, LSS) stützen. Je nach Wahl des Anpassungsmodells (z. B. Annahme einer Schwellendosis oder Annahme einer linearen Dosis-Wirkungsbeziehung ohne Schwelle) ergeben sich für das Basalzellkarzinom deutlich unterschiedliche Risikobeiträge. Die Wahl und die Kombination der Modelle und Parameter zur Berechnung des im Strahlenschutz verwendeten Schadensmaßes (Detriment) haben einen gravierenden Einfluss auf die Einschätzung, ob oder in welcher Höhe Hautkrebs einen Beitrag zum Strahlenrisiko liefert. Es gibt Hinweise darauf, dass es im Dosisbereich unterhalb von 0,5 Gy keine Risikoerhöhung für Hautkrebs gibt. Dies würde bedeuten, dass Hautkrebs aus der Liste der strahleninduzierbaren Krebsarten herausfallen könnte. Eine abschließende Bewertung zu diesem Punkt kann allerdings gegenwärtig noch nicht erfolgen.