Empfohlene Forschungsbereiche, -felder und -themen für eine in die Zukunft gerichtete anwendungsorientierte Grundlagenforschung im Strahlenschutz
Stellungnahme der Strahlenschutzkommission
Verabschiedet in der 329. Sitzung der Strahlenschutzkommission am 7./8. Dezember 2023
Abstract
Der Erhalt und Ausbau der Kompetenz auf dem Gebiet der Strahlenforschung in Deutschland ist ein gesellschaftlich wichtiges und für die Daseinsvorsorge relevantes Thema, dem sich die Strahlenschutzkommission (SSK) in den letzten Jahren verstärkt gewidmet hat. In einer Stellungnahme vom 11. Juni 2021 („Langfristige Sicherung der Kompetenz auf dem Gebiet der Strahlenforschung und -anwendung in Deutschland - Wichtigste wissenschaftliche Disziplinen und Hauptakteure in der Forschung“) benannte die SSK die aus ihrer Sicht wichtigsten Akteure und Forschungsbereiche für die Strahlenforschung in Deutschland. In einer weiteren Stellungnahme vom 11. September 2023 (Langfristige Sicherung der Kompetenz auf dem Gebiet der Strahlenforschung und -anwendung in Deutschland – Maßnahmenkatalog) führte die SSK Befragungen bei Stakeholdern und weitere Analysen durch, die zeigten, dass es einen langfristigen Bedarf an ausgebildetem Personal in den Bereichen Strahlenforschung und Strahlenschutz gibt, dass aber viele Akteure eine schwindende Kompetenz in der Strahlenforschung und im Strahlenschutz in Deutschland befürchten.
Eine zentrale Rolle für die Sicherung des Kompetenzerhalts in Deutschland sieht die SSK in der komplementären Forschungsförderung von anwendungsorientierter Grundlagenforschung und Ressortforschung. Ressortforschung adressiert im Allgemeinen eng umrissene Fragestellungen, die als Entscheidungsgrundlage für staatliches Handeln (z. B. für die Erstellung rechtlicher Regelungen) dienen sollen, während anwendungsorientierte Grundlagenforschung eher der Weiterentwicklung von Wissenschaft und Technik dient. Ausreichend finanzierte anwendungsorientierte Grundlagenforschung, welche weitgehend in Universitäten, Hochschulen und Forschungszentren stattfindet, bietet Studierenden einen frühzeitigen Einblick in das Feld der Strahlenforschung, ermöglicht jungen Forschenden die ersten Karriereschritte in diesem Feld und erlaubt erfahreneren Forschenden, in dem gewählten Forschungsbereich zu bleiben und sich weiter zu qualifizieren. Nur so ist entsprechend qualifizierter Nachwuchs für die vielfältigen Aufgaben im Strahlenschutz in Industrie und Behörden, für die Weiterentwicklung von Strahlenforschung in Forschung und Lehre, und nicht zuletzt für die fundierte wissenschaftliche Beratung politischer und regulatorischer Institutionen gewährleistet.
Am 30. Juni 2023 beauftragte daher das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz (BMUV) die SSK mit der Identifizierung von Forschungsbereichen, -feldern und -themen für eine in die Zukunft gerichtete anwendungsorientierte Grundlagenforschung im Strahlenschutz. Diese sollten einen Rahmen für zukünftige Forschungsschwerpunkte vorgeben, der so breit und flexibel ist, dass dadurch ein Zeithorizont von ca. 5 bis 7 Jahren erfasst werden kann. Ausgehend von einer von den Fachbereichen des BMUV und Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) erstellten und mit dem Beratungsauftrag übermittelten ersten Zusammenstellung möglicher Forschungsschwerpunkte wurden unter den Mitgliedern der SSK-Hauptkommission und allen ihren Ausschüssen weitere Themen-Vorschläge gesammelt und alle genannten Themen im Rahmen einer kurzfristigen SSK-Sondersitzung weiter diskutiert und strukturiert. Mögliche Interessenskonflikte wurden in diesem Prozess thematisiert und die gezielte Einflussnahme einzelner Gruppen durch die Breite der einbezogenen Gremien und den Verzicht auf die Empfehlung dezidierter Forschungsprojekte ausgeschlossen. Das Ergebnis ist nun eine interdisziplinär abgestimmte Liste von Forschungsfeldern und Themenbereichen für die anwendungsorientierte Grundlagenforschung im Strahlenschutz, deren vordringliche Bearbeitung die SSK innerhalb der nächsten 5 bis 7 Jahren empfiehlt.