Dosis- und Dosisleistungs-Effektivitätsfaktor (DDREF)
Empfehlung der Strahlenschutzkommission
Verabschiedet in der 268. Sitzung der SSK am 13. Februar 2014
Veröffentlicht im BAnz AT 03. Mai 2016 B4
Information
URN: urn:nbn:de:101:1-201604043407
URN: urn:nbn:de:101:1-201604254267
Abstract
Die Internationale Strahlenschutzkommission (ICRP) geht davon aus, dass die uneingeschränkte Anwendung eines linearen Zusammenhangs zwischen der Höhe der Strahlenexposition und dem Krebsrisiko zu einer Überschätzung des Strahlenrisikos für den Bereich kleiner Dosen und kleiner Dosisleistungen führt. Um dieser Annahme Rechnung zu tragen, hat die ICRP einen so genannten Dosis- und Dosisleistungs-Effektivitätsfaktor (DDREF) eingeführt. Dies bedeutet, dass die Risikowerte, die im Wesentlichen aus epidemiologischen Studien an den Atombombenüberlebenden in Hiroshima und Nagasaki ermittelt wurden, für die Strahlenschutzanwendungen im Bereich niedriger Dosen und kleiner Dosisleistungen durch den Wert dieses Faktors dividiert werden. In ihren neuesten Empfehlungen aus dem Jahr 2007 bestätigt die ICRP ihre früher entwickelte Argumentation und behält den Wert für den DDREF von 2 für solide Tumoren für Expositionen mit Photonen und Elektronen (locker ionisierende Strahlung) bei.
Die SSK hatte sich 2006 bei ihren Kommentaren im Vorfeld zu den neuesten Empfehlungen der ICRP (2007) dieser Argumentation allerdings nicht angeschlossen und plädierte für einen DDREF-Wert von 1, also für die Anwendung einer uneingeschränkten linearen Dosis-Wirkungsbeziehung ohne Dosisschwelle.
Die wissenschaftliche Basis zur Rechtfertigung des DDREF wird in jüngster Zeit in den Fachgremien zunehmend kontrovers diskutiert. Dies hat das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMU) zum Anlass genommen, die SSK zu bitten, den aktuellen Stand der Wissenschaft zu diesem Themenbereich zu sichten und eine umfassende Beurteilung der Gesamtproblematik vorzunehmen.
Die SSK weist in ihrem Bericht darauf hin, dass der DDREF mit all seinen Facetten eine außerordentlich subtile Größe darstellt und im eigentlichen Sinn kein einzelner „Faktor“ ist. Er beinhaltet vielmehr mehrere Einflussgrößen, die lediglich für Strahlenschutzzwecke zu einer einzelnen und damit praktikableren Größe zusammengefasst sind.
Es wird erläutert, dass eine Beurteilung, ob der derzeitige im Strahlenschutz zur Abschätzung des Strahlenrisikos allgemein angewandte DDREF-Wert von 2 geändert werden sollte, nicht ausschließlich auf den wissenschaftlichen Erkenntnissen im engeren Sinne basiert, sondern maßgeblich auch weitere Kriterien einbezieht, die sonstige wichtige Aspekte des Strahlenschutzes und die praktische Umsetzung betreffen. Eine Beurteilung lediglich auf der Basis wissenschaftlicher Grundlagen und Kriterien wird der Bedeutung und Funktion des DDREF nicht gerecht.
Die SSK hält zusammenfassend fest:
- Auf der Grundlage aktueller wissenschaftlicher Erkenntnisse sieht die SSK keine ausreichende Begründung mehr für den im Strahlenschutz verwendeten DDREF.
- Die SSK empfiehlt aufgrund der in ihrem Bericht aufgeführten Bewertungen, den DDREF an die neueren Erkenntnisse anzupassen und gegebenenfalls abzuschaffen.
- Aufgrund seiner Bedeutung für die Risikobewertung und die Konsequenzen für den Strahlenschutz empfiehlt die SSK darüber hinaus, im Zuge dieser Anpassung auch alle anderen Parameter, die in das Detriment, d. h. in die Angabe des Strahlenschadens eingehen, an den aktuellen wissenschaftlichen Stand anzupassen.
Die SSK hält eine internationale Abstimmung in diesen Fragen für dringend erforderlich und empfiehlt daher, ihre Einschätzung in die internationale Diskussion einzubringen.