Grundlagen zur Begründung von Grenzwerten der Strahlenexposition für die Bevölkerung

Überprüfung des Grenzwerts zum Schutz der Bevölkerung vor ionisierender Strahlung

Warum ist das Thema wichtig?

Die Bevölkerung kann aus verschiedenen Gründen durch ionisierende Strahlung exponiert werden. Beispiele für solche Expositionssituationen sind: Ableitungen von Radionukliden aus kerntechnischen Anlagen, die industrielle Verarbeitung radioaktiver Stoffe und der Umgang mit Patientinnen und Patienten, denen radioaktive Stoffe aus medizinischen Gründen verabreicht wurden.

Für die effektive Dosis der Bevölkerung durch ionisierende Strahlung aus solchen Expositionssituationen gilt unverändert seit mehr als 30 Jahren ein Grenzwert von 1 mSv pro Jahr.

Welche Fragen werden behandelt?

  • Ist die Bevölkerung durch den geltenden Grenzwert der effektiven Dosis ausreichend geschützt?
  • Ist die Festlegung des geltenden Grenzwertes auch nach 30 Jahren noch begründet?
  • Kann man den Strahlenschutz der Bevölkerung mit dem Schutz vor krebserregenden Stoffen (chemisch-genotoxischen Kanzerogenen) vergleichen?

Was sind die Kernaussagen der SSK zu diesem Thema?

  • Wenn eine Person lebenslang jedes Jahr eine Dosis in Höhe des jährlichen Grenzwertes erhält, würde das ihr Krebsrisiko um einige Prozentpunkte erhöhen. Eine solche Situation ist aber unwahrscheinlich. Neben dem Grenzwert gelten nämlich auch die Grundsätze zur Optimierung und Dosisreduzierung. Sie tragen dazu bei, dass bei allen geplanten Expositionssituationen die jährlichen Strahlenexpositionen der Bevölkerung tatsächlich um mindestens eine Größenordnung geringer als der Grenzwert sind.
  • Eine Absenkung des Grenzwertes der effektiven Dosis hätte daher nicht direkt einen zusätzlichen Schutz der Bevölkerung zur Folge. Eine Diskussion über eine Änderung des Grenzwertes wäre politischer Natur und muss neben den wissenschaftlichen Grundlagen auch die gesellschaftliche Akzeptanz von Risiken und ethische Fragen einbeziehen.
  • Die Regeln für den Schutz der Bevölkerung vor ionisierender Strahlung und vor chemisch-genotoxischen Kanzerogenen beruhen auf unterschiedlichen Konzepten und Berechnungsverfahren für Risiken. Sie sind daher nicht vergleichbar.

Abstract

Das System des Strahlenschutzes basiert auf den drei Grundsätzen Rechtfertigung, Optimierung, und Grenzwertsetzung. Grenzwerte sind für geplante Expositionssituationen definiert und werden bezogen auf die beruflichen Expositionen oder die Exposition der Bevölkerung festgelegt. Da die gegenwärtig gültigen Grenzwerte bereits seit 30 Jahren bestehen, beauftragte das Bundesumweltministerium am 19. März 2014 die Strahlenschutzkommission (SSK), sich mit den fachlichen Grundlagen für die Begründung der Grenz- und Richtwerte zu befassen. Zur Bearbeitung dieses Auftrages veröffentlichte die SSK zunächst im Jahre 2018 die Empfehlung „Grundlagen zur Begründung von Grenzwerten für beruflich strahlenexponierte Personen“.

In einem zweiten Schritt sollten die fachlichen Grundlagen zur Begründung von Grenzwerten der Strahlenexposition für die Bevölkerung betrachtet werden. Die zu diesem Zweck einge­setzte Arbeitsgruppe der SSK hat 2019 ihre Beratungstätigkeit aufgenommen und in einer Stellungnahme die Grundlagen zur Begründung von Grenzwerten der Strahlenexposition für die Bevölkerung zusammengefasst und denen des Schutzes der Bevölkerung vor Krebsrisiken durch chemisch-genotoxische Kanzerogene gegenübergestellt.

Die Beratungen fokussierten sich auf die Grenzwerte der effektiven Dosis. Wesentlich behandelte Grundlagen beziehen sich auf

  • die Bedeutung der Grenzwerte im Rahmen des Strahlenschutzsystems
  • die natürliche Strahlenexposition und ihre Variabilität
  • anthropogene Strahlenexpositionen
  • Wirkmechanismen biologischer Strahlenexpositionen
  • Risiken an Krebs und speziell auch an Schilddrüsenkrebs durch Strahlenexposition zu erkranken
  • das Schutzsystem für chemisch-genotoxische Substanzen.

Publikation zitieren

Strahlenschutzkommission (SSK). Grundlagen zur Begründung von Grenzwerten der Strahlenexposition für die Bevölkerung. Stellungnahme der Strahlenschutzkommission mit wissenschaftlicher Begründung, verabschiedet in der 236. Sitzung der Strahlenschutzkommission am 08. Mai 2023. https://www.ssk.de/SharedDocs/Beratungsergebnisse/DE/2023/2023-05-87_Stg_Grenzwerte_Bevoelkerung.html